Die transiente Analyse bildet den zeitlichen Verlauf der Variablen der vorliegenden Schaltung nach. Sie ist damit die anschaulichste Analyseart, da der Mensch das Denken in zeitlichen Abläufen gewohnt ist und man sich somit die Vorgänge der Schaltung am besten vor Augen führen kann. Viele Kenngrößen lassen sich aus der transienten Simulation ableiten, wie z.B. die Slewrate (Steigung der Ausgangskennlinie bei einem Sprung als Eingangserregung), die Settlingtime (Zeit, die das Ausgangssignal bei einem Sprung als Eingangserregung benötigt, bis es im eingeschwungenen Zustand ist), etc. Gleichzeitig ist es (neben einigen Analysen, die mehrfache Analyseaufrufe beinhalten) die mathematisch komplexeste Analyseart.
Neben der Netzliste benötigt der Simulator Angaben zur Simulation. Bei der transienten Analyse bestehen diese mindestens aus den Stimuli, der Simulationszeit T und der Schrittweite delta t. Moderne Simulatoren haben eine integrierte Schrittweitensteuerung, so dass delta t lediglich als Richtwert dient. Weitere Simulationsangaben können u.a. den Simulationsalgorithmus oder die nach der Simulation darzustellenden Signalverläufe betreffen.
Die Netzliste wird vom Simulator eingelesen und in ein Gleichungssystem umgewandelt. Hierzu benötigt jeder Simulator eine Bauelementebibliothek, in der Modelle der Grundelemente der Schaltung abgelegt sind. Grundelemente sind Transistoren (Bipolar und MOS), Dioden, Widerstände, Kondensatoren, Spulen und elektrische Quellen. Die Elemente der Netzliste werden durch die repräsentierenden Gleichungen der Bauelementebibliothek (Bauelementmodelle) ersetzt und zu einem Gleichungssystem zusammengestellt.
Nun muss das Gleichungssystem in jedem Zeitschritt delta t, beginnend bei t=0, gelöst werden. H at die Simulationszeit den Punkt T erreicht, ist die Simulation beendet und die darzustellenden Signalverläufe werden in einer Datei abgelegt. Alternativ können sie auch sofort in einem geeigneten Tool (Waveform-Viewer) dargestellt werden.
Die eigentliche Lösung des nichtlinearen Algebro-Differentialgleichungssystems besteht aus mehreren Schritten. Zunächst müssen die zeitabhängigen Funktionen berechnet werden. Die sich ergebenden Differenzengleichungssysteme müssen mit iterativen Methoden wie der Newton-Raphson-Methode gelöst werden. Dies verdeutlicht, dass zur Berechnung des zeitabhängigen Großsignalverhaltens zwei geschachtelte Schleifen notwendig sind: die äußere über die Zeit, und die innere zur Bestimmung des nichtlinearen Verhaltens in jedem Zeitschritt.